Am 8. Januar 2025 haben wir einen Text zur „Chemnitz Revolte“ und dem Phänomen der jungen Neonazis in Chemnitz veröffentlicht. In den letzten Monaten hat sich viel verändert, weswegen es hier ein Update geben soll.
Der Niedergang der Chemnitz Revolte

Am 18. Januar 2025 veranstalteten die „Freien Sachsen“ eine gegen die Kulturhauptstadt-Eröffnung gerichtete Demonstration in der Chemnitzer Innenstadt. Besonders junge Rechte prägten das Außenbild der Demonstration, allen voran die „Chemnitz Revolte“, die mit ihrem eigenen Banner zeitweise die Spitze des Aufmarsches bildete. Die Freien Sachsen waren sichtlich bemüht, ihr eigenes Transparent vor den Block der jungen Chemnitzer Neonazis zu schieben. Stella Schmidt, die Anführerin der Chemnitz Revolte und Justin Elbel aus Gera gaben mit Megaphonen den Ton an. Die Berliner Kameradschaft „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) lief mit einem eigenen „Freiheit für Julian“-Banner mit. Julian Milz hatte sich als Anführer der „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) in Berlin und Brandenburg hervorgehoben und saß zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft. Der 18. Januar war der letzte Aufmarsch, zu dem die Chemnitz Revolte und ihr Umfeld in der Stadt erfolgreich mobilisieren konnten. Die Gruppe um Stella Schmidt verbuchte, trotz einer insgesamt niedrigen Teilnehmendenzahl und einer zwischenzeitlich erfolgreichen Blockade auf der Route, die Demonstration als vollen Erfolg.
In der darauffolgenden Woche, am Abend des 24. Januar 2025, griff eine vermummte Gruppe von rund 20 jungen Neonazis die Bar „Balboa“ auf dem Brühl an. Vermummt rannten sie auf das Gebäude zu und schlugen auf zwei Personen vor der Bar ein, wodurch eine davon leicht verletzt wurde. Die zufällig in der Nähe anwesende Polizei konnte Schlimmeres verhindern. Ein Tatverdächtiger wurde vor Ort und fünf weitere im Nahbereich aufgegriffen. Seither wird wegen besonders schwerem Landfriedensbruch ermittelt. Zwischenzeitlich wurden laut Polizeiangaben 13 Personen namentlich identifiziert. Es folgten zwei Wellen von Hausdurchsuchungen, wobei sich nach Polizeiangaben mehrere der Durchsuchten zum Tatgeschehen einließen.
Nachdem die Polizei bekannt gab, dass Teile der Tätergruppe vom Angriff auf das Balboa zur Chemnitz Revolte gehören sollen und entsprechende negative Berichterstattung folgte, äußerte sich Stella Schmidt, die damalige Führungsperson der Gruppe. Sie gab an, dass kein Mitglied der Chemnitz Revolte beteiligt gewesen sei, sie aber für eine Beteiligung angefragt worden seien und hofften, die Täter bekämen ihre „gerechte Strafe“. Sie fügte an, die Gruppe werde zu dem Sachverhalt eine Aussage bei der Polizei machen, um zu verhindern, dass die Chemnitz Revolte in ein schlechtes Licht gerückt wird. Nach dem, was bekannt ist, war der Kern der Chemnitz Revolte tatsächlich nicht verantwortlich für den Angriff – dieser scheint von anderen jungen Neonazis und einigen ehemaligen Mitgliedern der Gruppe ausgegangen zu sein. Reaktionen auf die Aussagen Schmidts ließen nicht lange auf sich warten. Unter anderem posierten die zwischenzeitlich bei den „Jungen Nationalisten“ gelandeten Stanley Scholz und David Reichardt mit umgedrehten „Chemnitz Revolte“-Jacken. So waren die Wochen danach vor allem durch interne Streitigkeiten gekennzeichnet.

Durch die Vorfälle am 18. Januar 2025 zur Eröffnung der europäischen Kulturhauptstadt in Chemnitz und dem Angriff auf das „Balboa“ konzentrierte sich die Lokalpresse in der Folge verstärkt auf die Gruppe, was zu Konsequenzen bei einzelnen Mitgliedern führte. Durch den erhöhten Fokus wurden so Mitglieder in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld auf ihre politische Einstellung und die Demonstrationen angesprochen. Während am 15. Februar 2025 Teile der Chemnitz Revolte noch einmal gemeinsam auf dem sogenannten „Trauermarsch“ in Dresden und schließlich am 22. Februar 2025 in Berlin auf einer vom „Aktionsbündnis Berlin“ um den Aachener Ferhat Sentürk ausgerichteten, neonazistischen Demonstration marschierte, kam es Anfang April augenscheinlich zu einem Bruch und viele Mitglieder verließen die Gruppe schlagartig.

Mitte: Chemnitz Revolte am 15.02.2025 auf dem rechten „Trauermarsch“ in Dresden (Quelle: Dokunetzwerk Rhein-Main),
Rechts: Chemnitz Revolte am 22.02.2025 in Berlin auf einer von Ferhat Sentürk ausgerufenen, neonazistischen Demonstration (Quelle: RechercheNetzwerk Berlin)
Fabian Nöbel und Florian Schindler verteilten Ende April 2025 Sticker gegen die Chemnitz Revolte.
Auf diesen stand u.a.: „Chemnitz Revolte. Nein danke.“, „#DIE ÄLTEREN MITGLIEDER DER CHEMNITZ REVOLTE“ (versehen mit Bildern der verbliebenen Mitglieder und junger Neonazis, die kürzlich zur Chemnitz Revolte hinzugestoßen waren) oder „3 Anzeichen für Kindergarten“, auch hier mit Gesichtern der noch verbleibenden Mitglieder. Die Gruppe schrumpfte auf nur wenige Personen aus dem Umfeld von Stella Schmidt, während die Wut der ehemaligen Mitglieder sich vor allem gegen sie richtete. Unter anderem warfen diese ihr vor, dass sie mit Mitgliedsbeiträgen Termine im Nagelstudio bezahlt habe.
![Links: Stickern gegen die Chemnitz Revolte (Quelle: Screenshot, Instagram)], mitte-links: Stella Schmidt und Morice Knöbel am 22.03.2025 in Berlin auf einer von Ferhat Sentürk ausgerufenen, neonazistischen Demonstration (Quelle: VersaRed)], mitte-rechts: Stella Schmidt und Julian Milz (Quelle: Screenshots, Instagram)], rechts: Stella Schmidt und das "Chemnitz Revolte"-Banner gegen die DJV und den CSD in Falkensee am 05.07.2025 (Quelle: Presseservice Rathenow)]](https://chemnitz.noblogs.org/files/2025/09/Sticker-gegen-CN_025-03-22-VersaRed_Stella-Schmidt_Morice-Knoebel_Berlin_Stella-Schmidt_Julian-Milz_2025-07-05-PresseserviceRathenow_Falkensee@3x-1024x221.jpg)
Zurück blieben insbesondere Stella Schmidt und ihr damaliger Partner Morice Knöbel. Diese verlagerten ihren Lebensmittelpunkt teilweise nach Berlin und nahmen auch am 22. März 2025 an einer weiteren vom „Aktionsbündnis Berlin“ um Ferhat Sentürk veranstalteten Demonstration teil. In diesem Zeitraum besuchten sie auch gemeinsam den Prozess gegen Julian Milz, dem Kopf der DJV, welcher wegen Gewalttaten vor dem Landgericht Berlin angeklagt war. Während ihrer Zeit in Berlin vernetzten sich Schmidt und Knöbel dort mit weiteren jungen Neonazis.
Das Ende der Chemnitz Revolte schien endgültig erreicht, als die Berlin-Besuche von Stella Schmidt sich veränderten: Nachdem Julian Milz im Anschluss an seinen Prozess aus der Untersuchungshaft freikam, fuhr sie nicht mehr gemeinsam mit Morice Knöbel nach Berlin, sondern begann eine Beziehung mit Julian Milz.
Dass die Beziehung nicht lange hielt, zeigte sich am 5. Juli 2025 bei neonazistischen Protesten gegen den CSD in Falkensee in Berlin, als sowohl Schmidt als auch Milz mit jeweils eigenen Versammlungen nicht nur gegen den CSD, sondern auch gegeneinander demonstrierten. Der Aufmarsch um Stella Schmidt mit dem Transparent der Chemnitz Revolte wurde vor allem von der Gruppe „Jung und Stark“ gestützt und von Justin Elbel angemeldet. Milz demonstrierte mit der DJV, die in einem eigenen Block mit Abstand hinter dem Aufzug her lief. Während der CSD fast schon zur Nebensache für die jungen Neonazis wurde, skandierte der Block um Stella Schmidt unter anderem „Keiner hat Bock auf die DJV“. Stella Schmidt hatte Julian Milz nach der Trennung Gewalt in der Beziehung vorgeworfen und rief dazu auf, sich von der DJV zu distanzieren. Die Chemnitz Revolte war zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits Geschichte, denn Stella Schmidt war als einzige Person der bisherigen Gruppenkonstellation vor Ort
Seitdem ist es still um die Gruppierung geworden. Ob es wirklich noch eine Gruppe gibt oder es sich nur noch um Stella Schmidt mit einem Transparent handelt, ist unklar. Mittlerweile scheint Stella Schmidt mit einem weiteren Neonazi aus dem Berliner Umland liiert zu sein und kündigte auf Instagram an, zukünftig beruflich mit ihrem Vater, dem Hohenstein-Ernstthaler Neonazi und Inhaber einer Energieberatungsagentur, Christian Schmidt, zusammenarbeiten zu wollen.

Pöbeln mit Nöbel
Um den verbliebenen ehemaligen Teil der Chemnitz Revolte rund um Fabian Nöbel wurde es nicht ruhiger. Um ihn sammeln sich viele junge, allerdings auch einige ältere Neonazis in Chemnitz – vorwiegend zum gemeinsamen Konsum von Alkohol.
Der Zusammenschluss fällt in Chemnitz-Bernsdorf auf: Auf dem Netto-Parkplatz an der Bernsdorfer Straße, rund um den Kreisverkehr auf der Reichenhainer Straße, auf der Altchemnitzer Straße – sowohl oft vor der Wohnung von Fabian Nöbel auf der Altchemnitzer Straße 10 als auch in Richtung der „Spinnerei“ oder ganz in der Nähe auf dem Parkplatz des Poco-Einrichtungsmarktes auf der Wilhelm-Raabe-Straße beziehungsweise direkt auf dem verlassenen Gelände der Wilhelm-Raabe-Straße 15. Insbesonders als links oder queer gelesene Personen werden dort regelmäßig bedroht und verfolgt, während die Gruppe sich teilweise täglich an den erwähnten Orten trifft, trinkt und pöbelt.

Des Weiteren scheinen sie auch explizit die Nähe zu potentiellen politischen Gegner*innen zu suchen. So waren auch das Parkdeck des Parkhauses auf der Stadlerstraße, mit Blick auf das soziokulturelle Zentrum „Subbotnik“, und eine Weile auch der Bereich vor dem „Transit“ beliebte Aufenthaltsorte. Auch am 11. Mai 2025 während Aktivist*innen mit einer Besetzung des Schauspielhauses gegen soziale Kürzungen in Chemnitz demonstrierten, traf sich eine Kleingruppe um Fabian Nöbel, um in Sichtweite des Geschehens rund um die Besetzung Alkohol zu trinken. An den feuchtfröhlichen Nachmittagen und Abenden mit Fabian Nöbel nahmen auch einige Mitglieder der späteren Gruppe „Deutscher Widerstand Chemnitz“ teil.
Gründung „Deutscher Widerstand Chemnitz“
Das ehemalige „Chemnitz Revolte“-Mitglied Tim „Lensch“ gründete Ende Mai 2025 schließlich die Gruppe „Deutscher Widerstand Chemnitz“. Das erklärte Ziel war es, sich von der Chemnitz Revolte abzugrenzen. Allerdings scheint diese Gruppe nicht in der Lage zu sein, an das bereits geringe organisatorische Niveau der Chemnitz Revolte anzuknüpfen. Der „Deutsche Widerstand Chemnitz“ bestand zu Hochzeiten aus bis zu 15 Mitgliedern, darunter auch einige bis dahin unbekannte Personen. Überschneidungen der Gruppe mit etablierten rechten Strukturen waren nicht vorhanden. Die Kritik an der Chemnitz Revolte, dass diese zu großen Teilen aus Minderjährigen bestünde, besonders der von Spiegel TV zum 18. Januar geprägte Begriff „Kindergruppe“ wurde hierbei genutzt, ließen Lensch und seine Leute für die eigene Gruppe offenbar nicht gelten, weshalb auch in dieser Gruppe Personen mitmischten, die noch nicht einmal strafmündig sein dürften. Auch andere Kritikpunkte an der Chemnitz Revolte nahm man sich zum Anlass für eigene Regeln, um diese sogleich wieder zu brechen.
Montagsdemonstrationen und CSDs als Handlungsfeld
Über die zwei Monate, in denen die Gruppierung bestand, nahmen die Mitglieder an drei verschwörungsideologisch geprägten Chemnitzer Montagsdemonstrationen teil und versuchten zwei CSDs in der Region zu stören. Bei den Montagsdemonstrationen fiel die Gruppe vor allem dadurch auf, im betonten Versuch ein geordnetes Aussenbild zu präsentieren, hintereinander in Reihen und mit Deutschlandfahnen in den Händen zu laufen.

Zu den Störversuchen bei den Christopher Street Days in Stollberg am 16. Juni 2025 und in Chemnitz am 26. Juli 2025 trat die Gruppe allein auf, was vor allem auf die schlechte Mobilisierung zurückzuführen sein dürfte. Während Tim „Lensch“ versuchte gemeinsam mit Marcel Gentsch die Gruppe zu leiten, war Florian Schindler besonders bei der Mobilisierung gegen die CSDs aktiv. Er trat als Inititiator, Anmelder und Stimmungskanone, mit einem kleinen Megaphon und Sprechchören, auf. Fabian Nöbel nahm ebenfalls eine zentrale Position ein, fand sein Talent aber eher in Pöbeleien und dem Genuss von Alkohol vor dem Netto an der Bernsdorfer Straße.
Der Gruppe war durchaus bewusst, dass es ein Interesse an der Beobachtung ihrer Aktivitäten gibt und die Mitglieder versuchten entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ihr Instagram-Account war auf privat geschaltet, was jedoch auch mit einer dementsprechend geringen Mobilisierungsfähigkeit einher ging. Bei der Bewerbung der Störung des CSDs in Chemnitz wurde den Teilnehmenden nahegelegt, einen Schlauchschal zu tragen, flankiert mit dem Ausruf „KEIN GESICHT DER ANTIFA“.

Niedergang des „Deutschen Widerstands Chemnitz“
Nach dem Chemnitzer CSD wurde vor allem auf Instagram über die Gruppe berichtet und ihr geringe Disziplin und größtenteils unüberlegtes Handeln, dafür aber eine gewisse unfreiwillige Komik attestiert. Innere Streitigkeiten und die Erfahrung, im öffentlichen Raum erkannt und kritisch angesprochen zu werden, führten schließlich einen Tag nach dem CSD, am 27. Juli 2025, zur Auflösung der Gruppe, was diese auf Instragram bekannt gab.
Wie geht es in Chemnitz weiter?

Nach dem Scheitern beider Gruppen bleibt es unklar, wie es weiter geht. Einige Akteure scheinen sich aus der rechten Szene zurückzuziehen, was auch auf die fehlende oder oft zumindest wenig ausgereifte Ideologisierung der jungen Neonazis zurückzuführen ist. Viele von ihnen scheinen im Nachgang Anschluss in verschiedenen Fußball-Fanszenen oder der Grafitti-Szene zu suchen.
Weiterhin gibt es Personen, die sich zu neonazistischen Parteien hingezogen fühlen. Dabei tut sich in letzter Zeit vor allem Brian Bunzel hervor, der offenbar als Anwärter der JN in JN-Shirt und im JN-Block bei Aufmärschen läuft, teilweise auch am Transparent. Ob das Tragen von T-Shirts des „III. Wegs“ durch Semino Ochmann und Jerry Meyer als Hinweis auf einen möglichen Anschluss an die Neonazi-Partei gedeutet werden muss, bleibt indes unklar.
Weitere junge Neonazis in Chemnitz
Immer wieder tragen junge Neonazis aus Chemnitz in den sozialen Medien und im Stadtbild ihr radikales Gedankengut nach außen. Das offene Auftreten als Neonazi wird weiterhin zunehmend wieder Teil einer selbstbewussten Jugendkultur mit hegemonialem Anspruch. Nicht alle jungen Neonazis sind Teil einer Gruppe, es gibt gewaltaffinere und weniger gewalttätige Gruppen. Wichtig zu betonen ist, dass auch Neonazis, die keine Mitglieder in Gruppen oder Parteien sind, gewalttätig werden können und dies in der Vergangenheit auch zahlreich wurden.
Es ist allerdings klar zu sehen, dass ein großer Anteil der jugendlichen Neonazis nur gering ideologisch gefestigt ist, was durch wechselnde Motivation beim Aktivismus, wechselnde Gruppenzugehörigkeiten und dem vordergründlichen Interesse an der radikalen Ästhetik und einem „Dabeisein“ deutlich wird. Die neuen Gruppen oder spontanen Zusammenschlüsse für Störversuche scheinen sich aus einer sie animierenden und ermutigenden gesellschaftlichen Stimmungslage heraus zu bilden. Nicht unrealistisch ist es deswegen, dass es zu neuen Gruppengründungen und weiteren Störungen von Veranstaltungen kommt.
Wir werden die Entwicklung daher weiterhin beobachten und sind für dementsprechende Hinweise per E-Mail oder Signal dankbar.