Im Sommer 2024 sorgten hunderte, meist sehr junge Neonazis mit ihrem Auftreten auf Demonstrationen gegen zahlreiche Christopher Street Days (CSDs) für Aufsehen. Vielen schien es, als kämen diese zuvor politisch noch nicht in Erscheinung getretenen Personen und Gruppen aus dem Nichts. Umso größer waren die Schlagzeilen, denn mit dem Auftreten dieser neuen rechten Generation zeigte sich eine besorgniserregende Entwicklung: Im Zuge der sächsischen Kommunalwahlen 2024 wurden Wahlkämpfer*innen angegriffen, u.a. der SPD-Politiker Matthias Ecke, im September griffen junge Neonazis, die von einem Protest gegen einen CSD kamen, brutal eine Frau in einem Linienbus an, im Dezember schlugen junge Männer aus Sachsen-Anhalt, die aus ebendieser Szene stammen, ein SPD-Wahlkampfteam in Berlin zusammen. In Görlitz kam es schließlich kurz vor Weihnachten zu einem Angriff u.a. auf Linken-Politiker*innen, der Anführer der sogenannten „Elblandrevolte“ soll daran beteiligt gewesen sein.
Bei den Landtagswahlen 2024 wählten 31% der 18-24-Jährigen in Sachsen die AfD, bei U18- und U16-Wahlen fiel die Zustimmung oftmals noch wesentlich höher aus. Junge Neonazis fallen in vielen sächsischen Städten im Stadtbild auf und scheinen die Jugendkultur zu dominieren. In Chemnitz bildete sich im Rahmen dieser Entwicklung die Gruppe „Chemnitz Revolte“ heraus, die im Folgenden näher betrachtet wird.
1. Junge Neonazis im Schatten der Corona-Pandemie
Während der Corona-Pandemie traten vielerorts junge Neonazis in Erscheinung, die zunächst unabhängig von etablierten rechten Strukturen agierten. Rechte Treffpunkte blieben zugänglich und boten Jugendlichen Anlaufstellen, vor allem aber kamen sie in Sozialen Medien mit rechter Propaganda in Kontakt, während Schule, Sozialarbeit und Freundeskreise während des Lockdowns als wichtige Korrektive wegfielen. Die extrem rechte Szene schuf Freizeitangebote wie Kampfsport und vermittelte online wie offline klare Feindbilder, die für viele Jugendliche attraktiv erschienen. „Corona-Demonstrationen“ wurden zum Experimentierfeld für junge Rechte, die dort erste Gewalterfahrungen und Selbstbewusstsein sammelten. Beispiele sind der Angriff auf ein Kamerateam des MDRs während der Corona-Demonstration am 08.11.2021 in Zwickau oder der versuchte Angriff auf eine linke Gegendemonstration am 31.07.2021 in Zwönitz.
Rechte Mobilisierung in der Pandemie: Aufstieg junger Neonazis
Die sich in diesem Kontext bildenden Strukturen und losen Gruppierungen unterscheiden sich in mehreren Aspekten von den gängigen neonazistischen Organisationsformen. So ist in den meisten Fällen keine explizite Bindung an neonazistische Parteien wie den „III. Weg“ oder „Die Heimat“ (ehem. NPD) und deren Strukturen, Ressourcen und Erfahrungswissen vorhanden. Die Mitglieder sind im Durchschnitt recht jung, meist zwischen 16 und 18 Jahren, wobei einige sogar erst im frühen Jugendalter sind.
Ein Ausdruck der gesellschaftlichen Stimmungslage
Dass sich an den jüngsten Mobilisierungen und den beteiligten Gruppen kaum ältere und erst recht keine erfahrenen Neonazis beteiligen, weist darauf hin, dass hier nahezu keine Überschneidungen mit etablierten rechten Strukturen vorhanden sind. Im Umkehrschluss lässt sich vermuten, dass sich die neuen Gruppen vielmehr aus einer sie animierenden und ermutigenden gesellschaftlichen Stimmungslage heraus bildeten und bisherige rechte Parteien mehr als Zugpferd und Identifikation dienten, als tatsächlich zur Strukturbildung beigetragen zu haben. Hierbei spielt die AfD für die jungen Neonazis tatsächlich eine wesentlich größere Rolle als die genannten neonazistischen Parteien.
Die 90er sind zurück, aber mit TikTok
Die neuen Neonazis treten offensiv in sozialen Medien auf, die von Gleichaltrigen genutzt werden, und zeigen dort vor allem in Sprache und Ästhetik eine ausgeprägte Radikalität. Sie verwenden Gruppennamen wie „… Revolte“ für verschiedene Städte, Bezeichnungen wie „Deutsche Jugend zuerst/voran“ oder „Jung & Stark“. Gruppenbilder und das Posen mit szeneeigenen Influencern sind beliebte Inhalte während letztere traditionelle Führungsfiguren ersetzen. Gleichzeitig gibt es jedoch auch einen positiven Rückbezug auf frühere Organisationsformen und -stile. Die Gruppen orientieren sich stilistisch an neonazistischen Jugendgruppen der 1990er Jahre. Einige ihrer Mitglieder greifen gar auf die klassisch rechte Skinhead-Ästhetik zurück. Die Gruppenbildung und Radikalisierung junger Neonazis erfolgt nicht nur über soziale Medien, sondern auch in (bestehenden) Freundeskreisen, bei Besuchen verschiedenster rechter Aufmärsche und in der Fußballszene.
Radikale Normalität
Das offene Auftreten als Neonazi wird zunehmend wieder Teil einer selbstbewussten Jugendkultur mit hegemonialem Anspruch. Diese Entwicklungen führen zu Mobilisierungs- und Radikalisierungserfolgen in der neonazistischen Szene, zeigen jedoch auch einen fehlenden Wissenstransfer von etablierten Strukturen hin zu den neuen Gruppen. Das aggressive Auftreten der jungen Neonazis in Versammlungen und vielerorts auch im Alltag, das auf verbale und ästhetische Radikalität abzielt, offenbart neben einem neuen Selbstbewusstsein auch eine fehlende Wahrnehmung von Repressionspotenzialen und möglichen Gegenmaßnahmen. Mangelnde Erfahrung mit jeglicher Gegenwehr, insbesondere staatlicher Repression, aber auch Widerspruch im persönlichen Umfeld, könnten Gründe für dieses Verhalten sein.
Das Zeigen von „White Power“-Gesten oder queeren Menschen den Tod zu wünschen, mag für manche von außen wie ein kaum nachvollziehbarer Sprung in die Radikalität erscheinen, jedoch sind viele der jungen Neonazis in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Rassismus und Queerfeindlichkeit zur unwidersprochenen Normalität gehören. Oft zeigt sich bei ihnen trotz dieses Hintergrundes jedoch eine Diskrepanz zwischen einem radikalen Auftreten und ihrer nur in Teilen gefestigten Ideologie. Viele entwickelten sich innerhalb weniger Monate von in einem rechten Umfeld aufgewachsenen, durchschnittlichen Jugendlichen hin zu politischen Aktivist*innen. Organisatorische Führungsrollen ein Vierteljahr nach den ersten nachweisbaren politischen Äußerungen sind keine Seltenheit. Ideologische Schulungen, wie sie in neonazistischen Parteijugenden, wie sie bei den „Jungen Nationalisten“ (JN) und der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) zum Programm gehören, sind jedoch von der Lebenswelt der Gruppen wie „Chemnitz Revolte“ weit entfernt.
Eigene Inhalte oder ein Gesellschaftsentwurf lassen sich bei diesen neuen Neonazis nicht feststellen. Sie treten dort in Erscheinung, wo progressive Strömungen an die Öffentlichkeit treten, seien es queere Menschen, Menschen, die sich mit Geflüchteten solidarisch erklären, vermeintliche politische Gegner*innen und andere Menschen, die nicht in ihr Weltbild gehören. So waren sämtliche Demonstrationen und Störaktionen, die aus dieser Bewegung im Jahr 2024 hervorgingen, gegen die genannten Gruppen gerichtet.
Die geringe ideologische Stabilität zeigt sich ebenso in der hohen Fluktuation der Mitglieder, die oft nur flüchtiges Interesse an politischem Aktivismus zeigen und vor allem an der radikalen Ästhetik, Gruppenzugehörigkeit und dem „Dabeisein“ interessiert scheinen.
„Neue Deutsche Jugend“ in Chemnitz
Bereits vor der Entstehung der „Chemnitz Revolte“ bildeten sich in Chemnitz erste neue Gruppierungen junger Neonazis. Ende 2023 wurde ein Instagram-Profil mit dem Namen „Neue Deutsche Jugend“ (NDJ) erstellt, auf dem Gruppenbilder von bis zu 20 jungen Neonazis sowie deutliche neonazistische Symbolik zu sehen waren. Obwohl auf dem Profil von „Treffen“ die Rede war, fiel die Gruppe an keinem Punkt durch organisierte Aktivitäten, sondern vor allem durch Pöbeleien in der Chemnitzer Innenstadt auf. NDJ-Mitglieder wie Jim Mock, Kay Ian Fischer und „Lenny/Maske“ tauchten später erneut im Umfeld der „Chemnitz Revolte“ auf. Viele private Accounts verlinkten die „Neue Deutsche Jugend“ in ihren Bildern, und die Gruppe teilte zahlreiche dieser Posts. Heute sind die Gruppenbilder von der Seite gelöscht, und es scheint, dass sich die Gruppe weder tatsächlich organisieren noch einen langen Atem aufweisen konnte.
Montagsdemos und Proteste gegen CSDs als Experimentierfeld
Seit Anfang 2024 folgten zahlreiche Aufmärsche, an denen spätere Mitglieder der „Chemnitz Revolte“ teilnahmen. Am 21.01.2024 fielen die jungen Neonazis das erste Mal als Störer einer Demonstration auf. An dem Tag demonstrieren 12.000 Personen in der Chemnitzer Innenstadt unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ gegen die AfD. Währenddessen sammelten sich knapp 20 junge Rechte gegenüber der Startkundgebung auf der Terrasse des „Terminal 3“ an der Chemnitzer Brückenstraße, beschimpften die Teilnehmenden und bewarfen Demonstrant*innen mit Schneebällen. Die Personen, die sich hier beteiligten, haben sich über das Jahr in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Wenige, wie Florian Schindler, Stanley Scholz, Jim Mock und Kay Ian Fischer verblieben im Umfeld der „Chemnitz Revolte“. Fischer und Mock distanzierten sich später von der Gruppe. Scholz ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Teil der „Jungen Nationalisten“ (JN), Erik Jungfer aus Wolkenburg bei Limbach-Oberfrohna mittlerweile beim „III. Weg“.
Spätestens ab April 2024 liefen vermehrt junge Neonazis bei den verschwörungsideologisch geprägten Chemnitzer Montagsdemonstrationen mit, die von der Vereinigung „Chemnitz steht auf“ organisiert werden. Zuerst fielen dabei erneut Jim Mock und Kay Ian Fischer auf, die zusammen mit Stanley Scholz am 11.02.2024 bereits am „Trauermarsch“ in Dresden teilgenommen hatten, sowie Jonathan Jentzsch. Im Juni stießen Brian Bunzel und Florian Schindler dazu, später im Monat auch Stanley Scholz, Marvin Kurth und Oliver Lüth sowie im Juli noch Jeri Weigel und Tim „Lensch“.
Ein Teil der Gruppe um die heutige „Chemnitz Revolte“ sammelte damit bereits weit vor den Protesten gegen die CSDs Demonstrationserfahrung. Mehrere Personen agierten auf den Montagsdemonstrationen sogar als Ordner, unter anderem Kay Ian Fischer, Maximilian Werner, Oliver Lüth, Noah Schumann und der aus dem erzgebirgischen Aue stammende Simon. Eine Zeit lang nahm die Gruppe kontinuierlich, wenn auch in unterschiedlicher Stärke, an den wöchentlichen Demonstrationen teil. Am 14.10.2024 war die „Chemnitz Revolte“ bei diesen allerdings das letzte Mal vertreten.
Ein Phänomen, das nicht allein bei der „Chemnitz Revolte“ zu beobachten ist, ist das unbedarfte Bedienen an Symbolen etablierter neonazistischer Organisationen, im Chemnitzer Fall an denen der JN. Als die „Freien Sachsen“ am 17.07.2024 eine Solidaritätsdemo mit dem kürzlich zuvor verbotenen „Compact-Magazin“ durchführten, trug Brian Bunzel mit dem bis dahin völlig unbekannten 15-Jährigen Noah-Noél P. ein selbst gemaltes Transparent mit der Aufschrift „Solidarität mit Compact“. In die untere Ecke hatten sie ein Logo der JN gemalt, ohne dass sie jemals Mitglied dieser Organisation gewesen wären. Die Gruppe war an diesem Tag wohl aufgrund des Anlasses stark gewachsen. Brian Bunzel und Noah-Noél P. waren zusammen mit Fabien Kleber und Noah Schumann aufgetreten und posierten später gemeinsam mit Jonas und dem selbst gemalten JN-Banner. Weitere Teilnehmende aus dem Kreis der späteren „Chemnitz Revolte“ waren Lucio, Lena Patricia Zimmermann, Janik Tonat, Marvin Kurth, Oliver Lüth, Jeri Weigel, sowie die Freiberger Tom Röhl und Lucas „Chino“ Seifert.
In den folgenden Wochen trugen Mitglieder der Gruppe offizielle T-Shirts der JN auf den verschiedenen Demonstrationen, bis Noah Schumann am 09.09.2024 zur nächsten Montagsdemo mit dem Zusatz mobilisierte: „Und KEINER in JN tshirts! [sic]“. Offenbar hatte es doch mal ein Machtwort von den tatsächlichen JN gegeben, deren Chemnitzer Ableger sich nie offen mit Symbolen ihrer Organisation zeigt.
Im Sommer 2024 nahmen viele Personen aus dem späteren Umfeld der „Chemnitz Revolte“ an den zahlreichen Protesten gegen CSDs teil. Schon am 10.08.2024 fuhren mehrere Personen zum Protest gegen den CSD nach Bautzen, darunter Lucio, Lena Patricia Zimmermann, Maximilian Werner, Janik Tonat, Lilly Ullmann, Tom Krause, Kay Ian Fischer, Simon, Noah-Noél P., Brian Bunzel, Jannik und Giulia Hahn. Über 600 Rechte hatten sich dort rund um die JN und Freie Sachsen versammelt – größtenteils ganz in schwarz gekleidet. Diese Gegendemonstration stellte eine Machtdemonstration der rechten Szene dar, deren Bilder einen länger anhaltenden mobilisierenden Effekt für kommende Versammlungen gehabt haben dürften.
Während bei dem Leipziger Demonstrationsversuch am 17.08.2024 nur Lucio, Lena Patricia Zimmermann und Noah Schumann auftauchten, zeigte sich letzterer unvermittelt neben Julian Milz („Deutsche Jugend Voran“/“DJV Berlin“) als Anheizer im Kessel.
Die ersten größeren Mobilisierungen gegen die CSDs in Bautzen und Leipzig motivierten wohl auch Personen aus dem späteren Umfeld der „Chemnitz Revolte“: Zur Demonstration von „Chemnitz steht auf“ am 19.08.2024 liefen sie in großer Anzahl mit, darunter Lina Gertz, Stanley Scholz, Oliver Lüth, Noah Schumann, Semino Ochmann, Maximilian Werner, Florian Schindler, Kay Ian Fischer, Marvin Kurth, Jason, Tim „Lensch“, Janik Tonat, Joline Tonat, Lucio, Lena Patricia Zimmermann, Simon, Brian Bunzel, Noah-Noél P., Stella Schmidt, Lilly Ullmann, Rosa, Unbekannt 1, Unbekannt 2, Unbekannt 3 und weitere. Anschließend profilierten sie sich damit auf Social Media.
Auch bei den folgenden Protesten gegen CSDs nahmen verschiedene Personen der Gruppe um die spätere „Chemnitz Revolte“ teil.
Zum nächsten Protest gegen einen CSD, am 24.08.2024 in Magdeburg, waren erneut Lucio, Lena Patricia Zimmermann und Brian Bunzel angereist. Lina Gertz und Noah Schumann suchten auffällig die Nähe zu den Mitgliedern von DJV Berlin. Tom Krause, der zum Umfeld von Jim Mock und Kay Ian Fischer zählt, und auch Schumann waren Ordner.
Am 27.08.2024 traf sich eine Gruppe der späteren „Chemnitz Revolte“ in der Chemnitzer Innenstadt. An dem Tag trat die neu gegründete Partei BSW mit Sahra Wagenknecht in der Stadt auf. Eine Gruppe von Ukraine-solidarischen Menschen hatte sich zur Gegendemo getroffen. Gegen welche der beiden Gruppen die Neonazis demonstrieren wollten, ist unklar. Allerdings landeten sie nach kurzer Zeit in einem Polizeikessel. Dieser wurde später auf Bildern in Social Media stolz präsentiert. Involviert waren u.a. Brian Bunzel, Simon, Semino Ochmann, Janik Tonat, Paul Göske, Emily Göske, Stanley Scholz, Jerry Meyer, Lilly Ullmann, Kay Ian Fischer und Jason (Limbach-Oberfrohna).
Die Zwickauer Demonstration am 31.08.2024, angemeldet durch den III. Weg, verzeichnete die höchste Zahl an Chemnitzer Teilnehmenden mit Stanley Scholz, Semino Ochmann, Lucio, Lena Patricia Zimmermann, Lukas Liege und Annabell Jungwirth, Tim „Lensch“, Tom Krause, Jason, Emily Göske, Paul Göske, Marcel Gentsch, Sonny Georgi, Flo, Elias, Simon, Dean Los, Florian Brusch, Brian Bunzel, Lina Gertz, Giulia Hahn, Jim Mock, Kay Ian Fischer, David Reichardt, Stella Schmidt, Paul P., Marvin Kurth sowie Noah Schumann mit frisch gestochener Schwarzer Sonne auf dem Hals.
Auf der Demonstration gegen den CSD am 07.09.2024 in Freiberg, angemeldet durch den Freie-Sachsen-Kandidaten Manuel Leuchtmann, erschienen auch die Chemnitzer*innen wieder in großer Zahl. Dabei liefen Paul P., Marvin Kurth, Stanley Scholz und Lilly Ullmann zentral hinter Transparenten, während Oliver Lüth und Florian Brusch Ordner waren und Noah Schumann neben Julian Menzel (DJV Berlin) am Megafon voran lief. Weiterhin liefen mit: Lina Gertz, Brian Bunzel, Flo, Florian Schindler und Bruder, David Reichardt, Lucio und Lena Patricia Zimmermann, Annabell Jungwirth und Lukas Liege sowie Lavinia, Ian Kay Fischer und Stella Schmidt.
Auf der JN-Kundgebung gegen den dortigen CSD am 14.09.2024 in Halle schienen hingegen nur Stanley Scholz und Marvin Kurth anwesend zu sein.
Ein Woche später, am 21.09.2024, war auch in Döbeln nur eine kleinere Gruppe mit Giulia Hahn, Semino Ochmann, Lavinia, Elias, David Reichardt, Florian Schindler, Stanley Scholz und Jerry Meyer vertreten. Letzter hielt ein JN-Banner.
Zum letzten CSD-Protest in Sachsen am 28.09.2024 in Görlitz fuhr nur noch eine Handvoll der Personen mit: Noah Schumann, der als Ordner eingesetzt war, Stella Schmidt, Stanley Scholz, Jannik und Lilly Ullmann, die zeitweise das Frontbanner trug.
2. Queerfeindlichkeit, NS-Symbolik und Insta-Likes: Die „Chemnitz Revolte“
„Wir wollen etwas verändern und zeigen dass wir Chemnitzer auch etwas aufbauen können, was auch länger hält als bisherige Gruppierungen [sic]“ – so stellt sich die „Chemnitz Revolte“ im Oktober auf Instagram selbst vor. Damals beschreiben sie auch selbst, wie die Gruppe entstanden ist: Erst war es ein Freundeskreis, der sich zusammen politisierte. Nachdem diese Entwicklung viel Resonanz hervorrief, machten sie die Gruppe unter dem Namen „Chemnitz Revolte“ Ende September 2024 öffentlich.
Herkunft und rechte Elternhäuser
Auch wenn der Name der Gruppierung suggeriert, dass die Mitglieder überwiegend aus Chemnitz stammen, ist die Zusammensetzung örtlich divers: Noah Schumann und Stella Schmidt kommen aus Hohenstein-Ernstthal, Semino Ochmann und Jerry Meyer sowie ihr sie zeitweise begleitender Freund Thaddäus Rosch aus Stollberg, Lina Gertz und Simon, der nach eigener Angabe Mitglied der „NRJ Westsachsen“ ist, reisen extra aus Lößnitz und Aue an, um mit der Gruppe an Aktionen teilzunehmen. Die Chemnitzer Mitglieder kommen aus verschiedenen Stadtteilen – eine Konzentration ist nach bisherigem Wissen nicht auszumachen. Was jedoch auffällt: Mit Marvin Kurth und Oliver Lüth stammen mindestens zwei Mitglieder aus dem als bildungsbürgerlich und vermeintlich liberal geltenden Stadtteil Kaßberg. Zwischen Cafés und kleinen Kreativläden konnten Kurth und Lüth hier in ihren rechten Elternhäusern zu aktiven Neonazis heranwachsen, während Lüths Mutter Verena Lüth mehrmals extrem rechte Demonstrationen besuchte. Auch andere Personen aus dem Umfeld der „Chemnitz Revolte“ stammen aus rechten Elternhäusern: Die Mutter von Stella Schmidt und die Familie von Stanley Scholz lassen auf ihren Social-Media-Profilen eine große Nähe zur rechten Szene erkennen, die Mutter von Florian Schindler besuchte gemeinsam mit zweien ihrer Söhne einen Sonderverkauf des Rechtsrockhandels „PC Records“ und die Familien von David Reichardt und Kay Ian Fischer nahmen ihre Söhne sogar schon im Kindesalter mit auf einschlägige Demonstrationen.
Neben den Elternhäusern scheinen auch andere, etwas ältere Neonazis eine wichtige Rolle für die Gruppe zu spielen, die sich ihrerseits Anerkennung durch die junge aktivistische Gruppe verschaffen. So trat die „Chemnitz Revolte“ wiederholt mit dem als „Wikinger-Nazi“ bekannten, seit Jahren im Stadtbild präsenten Neonazi Julius Tietze, dem durch seinen mit zahlreichen Neonazi-Aufklebern verzierten Elektro-Rollstuhl auffälligen Philipp Tramontana und der kürzlich aus Frankfurt am Main zugezogenen Giulia Hahn („TikTokerin Gigi„, „Eva„) in Erscheinung.
Die Führungspersonen
Der anfängliche „Chemnitz Revolte“-Anführer Noah Schumann, genannt „Schuemi“ radikalisierte sich laut Aussagen seines Umfelds innerhalb von einem Vierteljahr. Schumann vernetzte sich schnell mit anderen Gruppierungen wie der DJV Berlin oder der „Elblandrevolte“, tauchte als Ordner bei verschiedenen Demonstrationen auf. Schon bald wurde er eine Art Sprecher und Influencer der „Chemnitz Revolte“. Instagram und später auch Telegram waren dabei seine wichtigsten Werkzeuge. Ende September 2024 gründete er den Account der „Chemnitz Revolte“ auf Instagram. Schumann lebte zuvor einige Zeit in der Schweiz, wohnt nun in Hohenstein-Ernstthal und arbeitet als Metallbauer.
Dass Schumann ideologisch nicht gefestigt ist und ihm Schulung und Erfahrung fehlen, zeigte er in einem Interview mit dem rechten Streamer „Weichreite“ alias Sebastian Weber am 31.08.2024 in Zwickau beim Aufmarsch des „III. Wegs“ gegen den lokalen CSD. „In meinen Augen gibt es kein Recht, dass es Schwule und Lesbische gibt [sic]“, breitete Schumann im Livestream aus. Auf die Frage, wer für ihn ein Deutscher sei, antwortete er wiederum: „Ich persönlich bin der Meinung, dass man Deutscher ist, wenn man hier in Deutschland geboren ist und einen deutschen Pass hat“. Auf Einwände von Semino Ochmann reagierend, ergänzte Schumann: „Ja grundsätzlich, man muss aussortieren“.
Am 19.10.2024 verkündete Schumann auf Instagram, sich aus privaten Gründen zurückzuziehen. Dabei distanzierte er sich weder von der Ideologie noch von den Aktionen der „Chemnitz Revolte“. Auch später äußerte er sich auf seinen Social-Media-Plattformen weiter politisch und rief zur Teilnahme an Versammlungen auf.
Den Instagram-Account übernahm nach dem Rückzug offenbar Stella Schmidt (Stella-Charlotte Schmidt, Ernst-Thälmann-Siedlung 14, 09337 Hohenstein-Ernstthal). Seitdem fungiert Schmidt als Führungsperson der Chemnitz Revolte. Wer beitreten will, wird an sie verwiesen.
Präsenz im Chemnitzer Stadtbild
Neben der Teilnahme an Aufmärschen ist die „Chemnitz Revolte“ vor allem im Chemnitzer Stadtbild präsent. Dass die Gruppe sich in der Stadt frei bewegen kann, zeigen die von ihr als Trefforte ausgewählten Plätze wie der Vorplatz des REWE-Markts in der Lohstraße, der Düsseldorfer Platz und das Restaurant „Alex“ in der Chemnitzer Innenstadt. Insbesonders als links bekannte oder gelesene Personen werden dort seit Monaten regelmäßig bedroht und verfolgt, während die Gruppe sich teilweise täglich an den erwähnten Orten trifft, trinkt und pöbelt. Der REWE an der Lohstraße als Treffort scheint darüber hinaus kein Zufall zu sein, denn Florian Brusch, der selbst mit den Chemnitzer Nazis an Demonstrationen gegen den CSD am 31.08.2024 in Zwickau und in Freiberg am 07.09.2024 teilnahm, arbeitet für REWE als Security – angestellt durch die Firma PiuS-Security. Durch ihre permanente Präsenz in der Innenstadt bildet die Gruppe ein Bedrohungsszenario. Wer um die Gefahr weiß, macht einen Bogen um die Gruppe, die sich mit bis zu 25 Personen in der Stadt herumtreibt.
Medien und Symbole
Besonders auffällig ist die starke Nutzung von Social Media bei den Mitgliedern und ihrem Umfeld – sei es Instagram, TikTok, Tellonym oder NGL. Charakteristisch wie zweideutig ist die immer wieder ausgerufene „Folgepflicht“, mit der nahestehende Profile beworben werden. Der Großteil scheint hier sehr offen (oder unbedarft) mit der eigenen politischen Einstellung, aber auch der eigenen Organisierung umzugehen.
Hier tritt auch die Symbolik zutage, der sich die jungen Neonazis gern bedienen: Das nationalsozialistische Symbol der Schwarzen Sonne auf T-Shirts und als Tattoos, Landser und „The-White-Race“-Shirts gehören neben nicht-rechten Marken wie Fred Perry und Lonsdale zur Uniformierung der Gruppe und ihres Umfelds. Die Szenecodes werden plakativ – und permanent – nach außen getragen: Noah Schumann ließ sich eine Schwarze Sonne frontal auf den Hals tätowieren und die heute 18-jährige Stella Schmidt trägt schon seit einigen Jahren den Nazicode „444“ (DDD=“Deutschland den Deutschen“) groß als Tattoo auf dem Hals. Trotzdem konnte sie gemeinsam mit Oliver Lüth eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau bei Edeka Meisel in Hohenstein-Ernstthal absolvieren. Während sich die Edeka-Kette nach außen wiederholt bemüht zeigte, sich nach rechts abzugrenzen, bringt der Hohenstein-Ernstthaler Markt gleich zwei aktive Neonazis in Arbeit.
Auch dem klassischen Rechtsrock kommt mit der neuen Generation wieder ein höherer Stellenwert zu: „Landser“ und „Übermensch“ finden sich als Hintergrundmusik zahlreicher Instagram-Stories. Annabell Jungwirth gab an, „Erschießungskommando“ sei ihre Lieblingsband. In dem Song „Sieg oder Tod“ etwa kündigt die Band an, die Thüringer Linken-Politikerin Katharina König-Preuss und ihren Vater Lothar König zu ermorden.
Aktionen der Chemnitz Revolte
Kurz nach der Gründung der „Chemnitz Revolte“ trat die Gruppe am 30.09.2024 das erste Mal mit einem eigenen „Transparent“ auf. Zur montäglichen Demonstration von „Chemnitz steht auf“ in Chemnitz liefen zahlreiche Mitglieder als eine Art eigener Block mit. Ihr Banner war eine Deutschlandfahne mit der halb leserlichen Aufschrift „Chemnitz Revolte“.
Am 03.10.2024 mobilisierte die „Chemnitz Revolte“ unter dem Motto „Gegen Linkswahn und Lügen der Antifa“ und „Alle in schwarz!“ nach Hohenstein-Ernstthal zu ihrer ersten eigenen Demonstration. Mobilisiert wurde in den privaten Storys der jungen Neonazis. Dort fand an diesem Tag das Gedenken an den 1999 durch Neonazis ermordeten Patrick Thürmer statt. Getroffen wurde sich in Chemnitz zu einer gemeinsamen Hinreise, wobei auch Mitglieder der DJV Berlin (u.a. Christopher Wetzels, Julian Milz, Vincent Gutjahr, „Aaron“) abgeholt wurden. Zur DJV Berlin pflegt die „Chemnitz Revolte“ engen Kontakt. Es werden nicht nur Aufrufe zu Versammlungen jeweils geteilt, sondern die Gruppen unterstützten sich regelmäßig gegenseitig bei den jeweiligen Demonstrationen. Mitglieder der DJV rotteten sich im Sommer darüber hinaus mehrmals nach Aufmärschen in sächsischen Städten gemeinsam mit Mitgliedern der Chemnitzer Gruppe in der Innenstadt zusammen – und sorgten für ebenso regelmäßige Polizeieinsätze.
Der Demonstrationszug am 03.10. lief mit ca. 50 Teilnehmenden durch die Hohenstein-Ernstthaler Innenstadt. Die Route führte an der Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus, wo auch eine Platte an Patrick Thürmer erinnert, vorbei. Diese wurde allerdings, ebenso wie die Gedenkplatte am Tatort, in der Nacht vor dem Gedenken entwendet. Wie schon in der Vorwoche in Chemnitz lief Noah Schumann vor dem Demonstrationszug und stimmte mit einem Megafon Sprüche an. Auch Stanley Scholz verfügte über ein Megafon, auch wenn es deutlich kleiner ausfiel. Es wurden Parolen wie: „Wir kriegen Euch alle!“ nach einem Halt an der Gedenkstätte angestimmt. Inhaltliche Redebeiträge gab es nicht. Ohne in die Nähe der Gedenkdemonstration zu kommen, wurde die Gegendemonstration beendet. Dabei waren u.a. Stella Schmidt, Oliver Lüth, Marvin Kurth, Semino Ochmann, Jerry Meyer, Lukas Liege, David Reichardt, Florian Schindler, Andy und Jannik. Die Demonstration und die eigene Teilnahme wurden anschließend auf Social Media mithilfe von Storys und Beiträgen zelebriert.
Im Spannungsverhältnis mit der JN
Nach der Demonstration in Hohenstein-Ernstthal meldete sich Finley Pügner („Elblandrevolte“) auf Instagram und schrieb auf Nachfrage über Noah Schumann und die Chemnitz Revolte:
„Völligster Unsinn die Gruppe reiner Abklatsch von uns und der Typ rennt rum wie eine Schulbank, Nationaler Aktivist sein wollen und arabische Schriftzeichen tätowiert haben [sic]“. Pügner fügte hinzu, es werde in Chemnitz „bald von der JN was geben“. Gemeint war ein Vernetzungstreffen, das schließlich am 16.11.2024 im „Freie-Sachsen“-Zentrum an der Brauhausstr. 6 stattfand. Aus dem Dunstkreis der „Chemnitz Revolte“ nahmen daran allerdings lediglich Stanley Scholz und David Reichardt teil. Stanley Scholz war zuvor am 08.11.2024 als einziger Chemnitzer bei der gemeinsamen Demonstration von JN und Freien Sachsen in Heidenau zugegen, begleitet von einer Gruppe der „Elblandrevolte“. Mittlerweile ist Scholz offenbar Teil der JN Mittelsachsen unter Stefan Trautmann.
Ohne Schuemi auf Reisen
Nach Noah Schumanns Rückzug fuhren am 19.10.2024 Mitglieder der „Chemnitz Revolte“ gemeinsam nach Berlin. Die Gruppen DJV Berlin und „Jung und Stark“ (JS) hatten zu einer Gegendemonstration gegen eine feministische Demonstration im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf mobilisiert. Die Gruppe trat mit einem eigenen Banner mit dem Schriftzug „Chemnitz Revolte“ auf und trug ein weiteres Transparent mit der Aufschrift „Wir kriegen euch alle“. Beteiligt waren Brian Bunzel, Annabell Jungwirth, Lukas Liege, Jerry Meyer, Stanley Scholz, Stella Schmidt und Semino Ochmann. Personen aus anderen Orten halfen dabei, die Transparente zu tragen.
Wer aktuell zur Kerngruppe der „Chemnitz Revolte“ gehört, ist nicht vollkommen sicher zu sagen, da Demo- und selbst Plenumsteilnahmen nicht zwangsläufig auf eine Mitgliedschaft schließen lassen und persönliche Sympathien und Beziehungen teilweise einen höheren Stellenwert für die Mitgliedschaft einnehmen. Lediglich das aktive Bekennen zur Gruppe, das Tragen der Gruppenbekleidung und das Reposten der Mobilisierungsgrafiken lassen erahnen, wer von Stella Schmidt als Gruppenmitglied gesehen wird und wer nicht.
Neben Schmidt sind offenbar Morice Knöbel, Annabell Jungwirth, Lukas Liege, Jerry Meyer, Semino Ochmann, Lavinia, Florian Schindler, Andy und Unbekannt 1 aktuell Teil der Gruppe. Marvin Kurth, Oliver Lüth, Brian Bunzel, Linda, Joline Tonat, Jeri Weigel, Tim „Lensch“, Lilly Ullmann und Maximilian Werner bewegen sich zumindest im engsten Umfeld der „Chemnitz Revolte“.
REWE-Plenum mit Hitlergruß
Stella Schmidt schien auch diejenige zu sein, die am 29.11.2024 zu einem Plenum der „Chemnitz Revolte“ einlud. Getroffen wurde sich jedoch nicht in der Szene zuzuordnenden oder privaten Räumen, sondern wie für die „Chemnitz Revolte“ üblich öffentlich vor dem REWE in der Chemnitzer Innenstadt. Hier sammelten sich 15 bis 20 junge Personen, tranken, diskutierten und stimmten ab – mit Hitlergrüßen.
Der Hype ist vorüber
Nach dem Rückzug von Noah Schumann scheint der anfängliche Hype um die „Chemnitz Revolte“ langsam abzuflachen. Seitdem die CSD-Saison vorüber ist, treten die Mitglieder kaum noch auf Demonstrationen auf, mobilisieren jedoch aktuell zu einem Protest zur Eröffnung der europäischen Kulturhauptstadt am 18.01.2025 in Chemnitz. Bemerkenswert ist dabei, dass sie nicht etwa zur bereits angemeldeten Demonstration der „Freien Sachsen“, sondern gegen die Versammlung vom „Bündnis Chemnitz Nazifrei“ mobilisieren, die ihrerseits gegen die „Freien Sachsen“ demonstrieren wollen, welche wiederum gegen die Kulturhauptstadt demonstrieren wollen.
Die Gruppe und ihr Umfeld fällt unterdessen weiter im Chemnitzer Zentrum auf – sei es wie üblich vor dem REWE in der Innenstadt oder auch im Dezember auf dem Weihnachtsmarkt. Seit Mitte Dezember tritt die „Chemnitz Revolte“ auch mit einheitlichen Klamotten auf. Schon im Oktober hatte die Gruppe auf Instagram angekündigt, dass sie plane Kleidung zu produzieren: eine Jacke für Mitglieder und T-Shirts für Anwärter und Nichtmitglieder. So präsentieren sich Mitglieder der „Chemnitz Revolte“ wie Jerry Meyer und Florian Schindler in den neuen Jacken mit Logo der Gruppe. Auch hier ist erneut erkennbar, dass die Gruppe wohl keine Bedenken hinsichtlich Repression hat: sie benennen sich klar als Struktur, mit der Kleidung kommunizieren sie ihre Gruppenzugehörigkeit nach außen und stellen Hierarchien und Differenzierungen innerhalb der Gruppe dar.
3. Personenübersicht
4. Hitlergrüße, Instagram und Proteste – Fazit und Ausblick
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Chemnitzer Montagsdemos ein willkommenes und repressionsfreies Erfahrungs- und Findungsmoment für junge, rechtsoffene Personen darstellten. Zwischen Juli und Anfang Oktober 2024 war eine hohe Aktivitätsdichte zu verzeichnen. Insbesondere die verschiedenen Proteste gegen CSDs stellten weitere Möglichkeiten der Radikalisierung, Vernetzung und Gewalterprobung dar. Sowohl bei diesen Demonstrationen als auch in Chemnitz traten die Gruppenmitglieder teilweise als Ordner auf.
Noah Schumann etablierte sich schnell als das Sprachrohr der Gruppe, indem er zu Demos aufrief, Anweisungen gab und den Kontakt zu anderen Gruppen und Städten hielt. Dadurch vernetzte sich die Gruppe rasch mit ähnlichen Personen und Organisationen, die zu diesem Zeitpunkt in verschiedenen Regionen entstanden.
Mit der öffentlichen Kritik durch Finley Pügner (Elblandrevolte) und dem Rückzug von Noah Schumann ließ das anfängliche Aktivitätslevel der Gruppe schnell nach.
Aktuell scheint es der „Chemnitz Revolte“ an einer verbindenden Führungsfigur und weiterführenden Organisierung zu mangeln, was sich in dem kaum wahrnehmbaren öffentlichen und politischen Auftreten widerspiegelt. Für einige Mitglieder fungiert die Gruppe eher als eine Art Freundeskreis, wobei der Eventcharakter wichtiger zu sein scheint als die zugrunde liegende politische Organisierung. Insgesamt hat die Chemnitzer rechte Szene jedoch im Sommer 2024 jungen Nachwuchs erhalten, der Erfahrungen und Selbstbewusstsein mittels Selbstorganisation sammeln konnte, durch zahlreiche Demonstrationen ideologisiert wurde und begierig nach Aktivitäten sucht. Bislang konnte noch keine etablierte Struktur diesen Antrieb aufnehmen und einbinden. Der Drang nach Eigenständigkeit scheint groß, die Lust auf Eingliederung in andere, hierarchische Strukuren klein.
Unabhängig von der Frage, ob die Organisierung der Gruppe langfristig erfolgreich bleibt, haben sich in der Chemnitzer Innenstadt Räume gebildet, in denen sich Menschen durch das Auftreten dieser jungen Rechten bedroht fühlen.
Das unwidersprochene Agieren der Gruppe, die Gewalt durch junge Neonazis in anderen Städten und die scheinbare Ignoranz durch Stadtverwaltung, Jugendarbeit und repressive Behörden könnte eine toxische Dynamik hervorbringen. Es ist absehbar, dass die Gruppe auch beginnen wird, Menschen tätlich anzugreifen, wenn sie das nicht schon getan hat. Einige der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich heute zum größten Teil in Ausbildungsverhältnissen befinden, werden in ein paar Jahren Multiplikator*innen in verschiedenen Bereichen sein und die neue Welle offensiv rechter Jugendlicher wird noch lange in der Gesellschaft spürbar sein. Nicht zuletzt bedeuten die jungen Neonazis auch in anderen Kontexten ein Sicherheitsproblem: Brian Bunzel etwa wird nach eigener Aussage im Oktober 2025 seinen Wehrdienst beginnen.
Ob die „Chemnitz Revolte“ im Kulturhauptstadtjahr 2025 noch von sich hören lassen wird, ist unklar. Sicher aber ist, dass die neue Generation sehr junger Neonazis nicht einfach verschwinden wird. Daher ist es wichtig, die Entwicklungen auch weiterhin aufmerksam zu beobachten.
Für Hinweise bitte den angegebenen Kontakt nutzen.